Mit dezentraler IT-Infrastruktur an der Universität Stuttgart Energie sparen

9. Mai 2023

Ergebnisse einer Kurzstudie des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart

Die Energiekrise zwingt auch die Universität Stuttgart zum Sparen. Unter dem Motto „Gemeinsam. Energie sparen!“ ruft die Universitätsleitung alle Universitätsangehörigen zur Unterstützung auf. Forschende des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) haben nun im Rahmen einer Studienarbeit die vorhandene dezentrale IT-Landschaft der Universität Stuttgart auf ihre Energieeinsparpotenziale untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass durch eine Optimierung der dezentralen IT-Anlagen durchaus Energie eingespart werden könnte.

Ein Szenario, dass die Forschenden betrachtet haben, ist die sogenannte Clusterbildung: Sofern ausreichend Raum zur Verfügung steht, könnten sich mehrere, nahe beieinanderliegende IT-Einrichtungen zusammenschließen und dadurch Energie sparen. Auch sei in vielen Serverräumen die vorhandene Kühltechnologie überdimensioniert und führe durch die niedrige Auslastung zu vermeidbaren Energiekosten und Treibhausgasemissionen. Insgesamt müssten die jeweiligen Fälle jedoch individuell betrachtet werden.

Zusammenfassung der Kurzstudie:

Das IER beschäftigt sich mit den energetischen Auswirkungen der Digitalisierung. Neben den zentralen Infrastrukturen des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart (HLRS) und der Technischen Informations- und Kommunikationsdienste (TIK) wurden 149 Einrichtungen der Universität Stuttgart erfasst und analysiert. Damit konnte erstmals ein Überblick über die Größe, Verteilung und Leistungsfähigkeit der dezentralen IT-Infrastrukturen geschaffen werden. Zudem wurden in ausgewählten IT-Räumen in den Instituten Verbrauchsmessungen durchgeführt. Mögliche Energieeinsparungspotentiale wurden auf Basis von drei Szenarien berechnet: Hardwaretausch, Clusterbildung und Zentralisierung.

Für die Erhebung wurde eine Online-Umfrage bei den IT-Verantwortlichen durchgeführt. Mit der Abfrage wurden grundlegende und technische Daten erfasst, welche in eine Datenbank überführt wurden und auch die Grundlage für die Visualisierung der Standorte und Leistungen mit Hilfe eines Geoinformationssystems (siehe Abbildung 1) lieferten. Anschließend wurde in einigen Serverräumen in Kooperation mit den jeweiligen Instituten eine einwöchige Leistungsmesskampagne durchgeführt.

Abbildung 1: Übersicht der dezentralen Serverräume an der Universität Stuttgart – Campus Vaihingen

Die Rücklaufquote bei der Onlinebefragung lag bei 65 % und 57 der antwortenden Institute gaben an, über dezentrale IT-Anlagen zu verfügen. An 40 Instituten werden keine dezentralen IT-Anlagen betrieben, diese nutzen nur die zentral zur Verfügung gestellten IT-Angebote. Der durchschnittliche Serverraum hat eine Raumgröße von 27,7 m² und eine installierte IT-Leistung von 22 kW (n = 31; n = 22). Dabei reicht die Bandbreite der installierten IT-Leistung von 300 W bis 95 kW (n = 22). Nach Schätzungen der Betreiber ist die IT-Hardware im Mittel zu 46 % ausgelastet (n = 14). In drei Instituten mit einer installierten Leistung von weniger als 3 kW werden Stand-PCs als Server eingesetzt, in den übrigen Fällen werden klassische Server in entsprechenden Racks eingesetzt. Die älteste IT Hardware je Serverraum ist im Durchschnitt 13 Jahre alt (n = 20). Dies deutet darauf hin, dass in vielen Einrichtungen noch ineffiziente Hardware im Einsatz ist, die nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Aus diesem Wert lässt sich aber nicht ableiten, wie die gesamte Altersstruktur der Hardware in den Instituten aussieht. Durch eine Hardwarekonsolidierung in Verbindung mit einem Hardwaretausch könnte hier der Stromverbrauch reduziert werden.

Die Leistungsmessungen in den Serverräumen von vier Instituten haben gezeigt, dass der Leistungsbedarf unabhängig von Tag/Nacht und Werktag/Wochenende relativ konstant ist (siehe z. B. Abbildung 2). Wie hoch die tatsächliche Auslastung der Hardware war, ist jedoch nicht bekannt gewesen.

Abbildung 2: Leistungsmessung in einem Institut über eine Woche

Für die drei Szenarien „Hardwaretausch“, „Clusterbildung“ und „Zentralisierung“ wurden die in Tabelle 1 aufgeführten Energie- und Treibhausgaseinsparungspotentiale für die Universität Stuttgart berechnet. Die Berechnung für das Szenario Hardwaretausch basiert auf der vereinfachten Annahme, dass nur die Hauptprozessoren (CPU) ausgetauscht werden, woraus die ermittelten energetischen Einsparungen resultieren. Die daraus resultierenden Kosten für den Erwerb, Installation und ggf. notwendigen zusätzlichen Hardwaretausch werden in diesem Fall nicht berücksichtigt. Für Szenario „Clusterbildung“ und „Zentralisierung“ werden zwei Werte angegeben, weil an dieser Stelle zwei Optionen betrachtet wurden. Zum einen kann die alte Hardware weiterverwendet werden, und zum anderen kann neue Hardware in diesen Szenarien eingesetzt werden. In jedem Fall ist die Leistungsfähigkeit (Maß sind die Gleitkommaoperationen pro Sekunde) mindestens auf demselben Niveau.

Tabelle 1: Einsparpotentiale (Strom und Treibhausgas) von drei Szenarien

Einsparung | Szenario

Hardwaretausch
Szenario 1

Clusterbildung
Szenario 2

Zentralisierung
Szenario 3

Strom [kWh/a] 91.687 139.634 – 189.961 287.588 – 377.532
Treibhausgas CO2 [t/a] 14,76 22,48 – 29,78 46,30 – 60,78

Aus organisatorischen oder auch anwendungsspezifischen Anforderungen heraus können die vorgeschlagenen Szenarien, insbesondere 2 und 3, nicht unbedingt vollständig umgesetzt werden, und dies wird auch nicht empfohlen. Es sollte aber jede Einrichtung im Detail prüfen, welche Hardware eingesetzt wird und ob ein Ersatz möglich und sinnvoll wäre. In vielen Serverräumen ist zudem die vorhandene Kühltechnologie für den aktuellen Bedarf überdimensioniert und führt durch die niedrige Auslastung zu vermeidbaren Energiekosten und Treibhausgasemissionen. Sofern ausreichend Raum für Erweiterungen zur Verfügung stehen, könnte eine Clusterbildung erfolgen, in dem sich mehrere, in räumlicher Nähe befindlichen Einrichtungen zusammenschließen. Für potentielle Cluster aus Szenario 2, welche nicht über das Kältenetz gekühlt werden, kann je nach Fall durch die höhere Auslastung der Kältemaschine zusätzlich eine Energieeinsparung zwischen 41.927 bis 55.943 kWh/a und Treibhausgaseinsparung zwischen 6,75 bis 9,01 t/a erzielt werden.

Die durchgeführten Untersuchungen an der Universität Stuttgart haben gezeigt, dass über eine (energetische) Optimierung der dezentralen IT-Anlagen ein Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele geleistet werden kann. Dabei ist jedoch jeder einzelne Fall individuell zu betrachten, denn nicht alle Maßnahmen lassen sich an allen Stellen umsetzen.

Studienarbeit: Burrer, Fabian (2023): „Dezentrale IT-Anlagen an der Universität Stuttgart: Erfassung und Vorschläge zu ihrer energetischen Optimierung“, Studienarbeit, IER-Bandnummer 1158, Universität Stuttgart, Stuttgart.

Bei Rückfragen zum Vorgehen und zu den Ergebnissen wenden Sie sich gerne direkt an die Autoren:

Vielen Dank an Ralph Schelle (IER) für die messtechnische Begleitung dieser Studie, ohne ihn wären die Leistungsmessungen nicht möglich gewesen.

Zum Seitenanfang